Delir

Das Delir, lateinisch Delirium (lateinisch delirium, veraltet ‚Irresein‘; von lira ‚Furche im Ackerbeet‘, delirare ‚aus der Furche geraten‘, ‚von der geraden Linie abweichen‘, ‚verrückt sein‘) ist ein akuter Verwirrtheitszustand und bezeichnet ein ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Psychosyndrom, das einen lebensbedrohlichen Zustand darstellt. Beim Delir handelt es sich gemäß Schüttler um eine akute, körperlich begründbare Psychose.

Geschichte

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts bezeichnete Georg Ernst Stahl mit Delirien die eigentlichen Geisteskrankheiten und mit „sympathetischen Delirien“ solche, die in Begleitung anderer körperlicher Krankheiten auftreten. Er unterteilte zudem in libidinöse (zum Beispiel Hypersexualität, Nymphomanie und Hysterie), melancholische und fieberhafte Delirien.

Symptome

Die Kriterien in der zehnten Auflage der International Classification of Diseases (ICD-10) für das Vorliegen eines Deliriums lauten:

  • Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit
  • Wahrnehmungsstörung (Gedächtnis, Orientierung)
  • Psychomotorische Störungen
  • Schlafstörungen
  • Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
  • Nachweis einer organischen Grundlage

Kennzeichnend für das Delir ist neben der Bewusstseinsstörung eine Störung der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, der Kognition, des Gedächtnisses, der Psychomotorik und der Emotionalität. Charakteristisch ist eine deutliche tageszeitliche Fluktuation der Symptome. Beim voll ausgeprägten Delir kommt es oft zu einer Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus.

Weitere Symptome können eine Herabsetzung des abstrakten Denkvermögens, der Konzentration, ein eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis und Desorientierung sein. Häufig sind auch optische Halluzinationen, Wahnvorstellungen, motorische Unruhe und nestelnde Bewegungen sowie affektive Symptome wie Deprimiertheit und Angst, aber auch Euphorie oder Reizbarkeit und eine Agitation (krankhafte Unruhe) zu beobachten.

Anhand der Symptomatik wird klinisch zwischen zwei Prägnanztypen unterschieden, dem hyperaktiven und hypoaktiven Delir. Letzteres ist aufgrund der weniger kennzeichnenden Symptomatik schwieriger zu diagnostizieren. Es bestehen Mischformen mit Anteilen von beiden Typen.

Testverfahren

Es gibt folgende validierte Testverfahren zur Detektion eines Delirs:

CAM-ICU

ICDSC

Nu-DESC

3D-CAM

CAM-S

Die Confusion Assessment Method for the ICU (CAM-ICU) wurde speziell für die Anwendung auf einer Intensivstation entwickelt. Anhand von Testfragen wird des Vorliegen von Aufmerksamkeits-, Bewusstseins- und Denkstörung untersucht. Der CAM-ICU gilt als der zuverlässigste Score, um ein Delir beim Intensivpatienten zu entdecken. Er hat eine Sensitivität von 0,79 und eine Spezifität von 0,97. Beim Intensive Care Delirium Screening Checklist werden Bewusstseinslage, Aufmerksamkeit, Orientierung, Halluzination, Agitation, Sprache, Schlaf und Symptomatik untersucht. Für jedes vorhandene Symptom gibt es einen Punkt. Die Nursing Delirium Screening Scale (Nu-DESC) untersucht Orientierung, Verhalten, Kommunikation, Halluzination und psychomotorischer Retardierung. Je nach Ausprägung gibt es 0 bis 2 Punkte. Das Verfahren kann auch von ausgebildeten Pflegekräften eingesetzt werden. Das 3-Minute Diagnostic Interview for CAM-defined delirium (3D-CAM) ist auf eine rasche Einschätzung eines deliranten Zustandes ausgelegt. Anhand von Testfragen werden Aufmerksamkeits-, Bewusstseins- und Denkstörung ermittelt. Bei der Confusion Assessment Method – Severity (CAM-S) wird der Schweregrad eines Delirs durch Erfassung des Verlaufs, der Aufmerksamkeit, des Denkens, der Bewusstseinslage, der Orientierung, des Gedächtnisses, der psychomotorischen Agitation, von Retardierung und Schlaf bestimmt. Den einzelnen Kategorien werden Punktwerte von 0-2 zugeordnet und anschließend die Summe gebildet.

Ursachen

Da Delirien unterschiedliche Erkrankungen zu Grunde liegen können, sind zur Differentialdiagnose folgende Ätiologien in Betracht zu ziehen:

  • zentralnervöse Erkrankungen (hierzu gehören vaskuläre Erkrankungen, Blutungen, Tumoren, Schädel-Hirn-Trauma, Epilepsie, Meningitis, Enzephalitis, Migräne, Schlafentzug)
  • Sensorische Deprivation: das ist der Entzug (Deprivation) von sensorischen Reizen (also Sinneseindrücken, siehe auch Wahrnehmung). Die Bezeichnungen Reizentzug und Reizdeprivation werden als Synonyme für sensorische Deprivation verwendet, jedoch deutlich seltener.
  • systemische Erkrankungen (Infektionen)
  • Fieber
  • Stoffwechselstörungen: Hypoglykämie, Hyperglykämie, Nierenversagen, Leberversagen, Anämie, Azidose, Alkalose, Vitaminmangel, Endokrinopathien (Nebennierenrinde, Hypophyse, Schilddrüse)
  • Elektrolytstörungen: Na, K, Ca, Mg, HCO3, PO4, Dehydratation
  • Unterernährung
  • Postanästhesie, postoperativ (etwa nach einer Narkose)
  • Medikamente und Delirantia (Medikamenten-induzierte Nebenwirkungen, Medikamentenintoxikation, Medikamentenentzug)
  • Drogen (v. a. auch der Entzug bei Drogen- oder Alkoholabhängigen)
  • Kardiovaskulär: Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Schock, Lungenembolie
  • Hypoxie, Hyperkapnie
  • Obstruktive Schlafapnoe
  • Kollagen-Vaskulitis (z. B. Lupus erythematodes)

Die häufigste Ursache des Deliriums bei Alkoholismus ist der Alkoholentzug. Man spricht dann von einem Alkoholentzugsdelir: Delirium tremens.

Das Delir ist die häufigste akute Hirnfunktionsstörung während einer Intensivbehandlung. Patienten, die auf einer Intensivstation beatmet werden, entwickeln in 50 – 75 % ein Delir. Patienten, die auf einer Intensivstation ein Delir entwickeln, haben ein höheres Sterberisiko, werden länger beatmet und haben ein höheres Risiko einer langfristigen kognitiven Verschlechterung als Intensivpatienten ohne Delir.

Komplikationen

Die Trübung des Bewusstseins stellt eine wichtige Komplikation dar und kann von Somnolenz über Sopor bis hin zum Koma reichen. Der Verlauf der Bewusstseinsstörung ist beim Delir kaum vorherzusagen. Somit ist jedes delirante Syndrom ein psychiatrischer Notfall, der nur in einer Klinik behandelt werden kann, da im schlimmsten Fall Herzversagen, Atemstillstand oder Stoffwechselstörungen drohen.

Therapie

Ein Delir kann zu einem lebensbedrohlichen, akuten medizinischen Notfall werden. So sind Delirien bei älteren dementen Patienten häufig. Hier sind Exsikkose, Infektionen (Pneumonie, Harnwegsinfekte) und Elektrolytentgleisungen häufige Ursachen. Die Behebung der Ursache (Antibiotikatherapie, Flüssigkeitssubstitution etc.) sowie symptomatische Behandlung mit zentralen Antisympathikotonika wie Clonidin oder Dexmedetomidin, sowie Neuroleptika und Benzodiazepinen können Besserung bringen.

Da das Delir im Rahmen unterschiedlichster Störungen auftreten kann, sind weitere Diagnostik und ursächliche Therapie essentiell. Die Behandlung muss direkt nach Diagnosestellung eines deliranten Syndroms, auch ohne die genaue Ätiologie des Deliriums zu kennen, eingeleitet werden.

Eine Überstimulation des Sympathikus kann symptomatisch mit Clonidin oder Dexmedetomidin therapiert werden. Erregungszustände lassen sich symptomatisch mit Benzodiazepinen und Halluzinationen mit Neuroleptika (zum Beispiel Haloperidol) behandeln. Benzodiazepine sind allerdings mit Vorsicht zu verwenden. Sie haben zum Teil langwirksame Metaboliten, die gerade bei älteren Patienten zu länger anhaltenden Verwirrtheitszuständen beitragen können.

Beim Delirium tremens, bzw. Alkoholdelir, wird in Kliniken zur Behandlung der meisten o. g. Symptome auch Clomethiazol eingesetzt. Dieses erfordert eine engmaschige Kontrolle der Vitalfunktionen des Patienten, da es atemdepressiv wirkt. Ein Alkoholentzugsdelirium kann lebensbedrohlich und damit überwachungspflichtig werden. Je länger und je mehr Alkohol der Patient konsumiert hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines Delirs.

Die Ergotherapie und die Physiotherapie verringert die Dauer des Delirs und sollten daher gefördert werden. Unterstützt wird die Verringerung des Delirs durch beruhigende Musik, Vermeidung von Koffein und Verwendung von Ohropax und Augenbinden.

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