Trichotillomanie

Bei der Trichotillomanie handelt es sich um eine Störung der Impulskontrolle, deren vordergründiges Erscheinungsbild darin besteht, dass sich Betroffene die eigenen Haare ausreißen.

Symptomatik

Bei den ausgerissenen Haaren handelt es sich meist um Kopfhaare, in geringerer und unterschiedlicher Häufigkeit auch um die Haare aller anderen Körperregionen. Dadurch kann es zu kahlen Stellen kommen, wobei unterschiedlich kurze neue Haare noch vorhanden sind. Rund die Hälfte der Betroffenen fühlt sich genötigt, dabei eine Symmetrie zu wahren oder besonders geformte Haare zu entfernen. Im Anschluss daran werden die Haare und dabei oft die Haarwurzel genau untersucht, bevor sie weggeworfen, aufgehoben oder auch verschluckt werden. Letzteres wird als Trichophagie bezeichnet. Insgesamt zeigt fast die Hälfte der Betroffenen orale Verhaltensweisen im weiteren Sinne, so kann die Mundgegend mit dem Haar berührt oder dieses als „Zahnseide“ benutzt werden.

Schmerz wird beim Entfernen der Haare kaum wahrgenommen und wenn, dann wird er entweder als angenehm empfunden oder ignoriert. Die Schmerzgrenze allgemein ist bei den Betroffenen nicht erhöht. Das mittlere Alter der Betroffenen liegt bei Beginn der Störung bei ca. 13 Jahren und fällt somit in die Zeit der Pubertät, erstmals auftreten kann die Trichotillomanie jedoch in jedem Alter. Ob es sich bei sehr frühem Auftreten um ein gesondertes Störungsbild oder eine besondere Untergruppe handelt, ist noch nicht geklärt. Statistisch gesehen sind vor der Pubertät Jungen und Mädchen gleich stark betroffen, später sind es dann mehr Frauen als Männer. Die Störung selbst kann über wenige Monate bis zu mehreren Jahren anhalten.

Als Begleiterkrankungen treten häufig affektive Störungen wie Depressionen und verschiedene Angststörungen auf. Trotz vieler Übereinstimmungen mit den Symptomen bei Zwangsstörungen gibt es wichtige Unterscheidungsmerkmale. So werden die bei Zwangsstörung auftretenden Zwangshandlungen und Zwangsgedanken in der Regel als quälend und eigene Gedanken (Ich-synton) erlebt, während bei der Trichotillomanie drei Viertel der Betroffenen angeben, sich ihrer Handlung nicht bewusst zu sein. Nur ein Drittel gibt an, einen intensiven Drang zum Auszupfen der Haare zu verspüren. Dieses kann als Mittel zur Reduktion einer bestehenden erhöhten Anspannung dienen, wird in wieder einem Drittel aber im Gegenteil als anregend erlebt und kann dazu dienen, einem Leeregefühl entgegenzuwirken.

Mögliche Ursachen

In den jeweiligen Einzelfällen können sehr unterschiedliche Auslöser zu einer Trichotillomanie führen: traumatische Erlebnisse wie der Tod einer nahestehenden Person, Missbrauchserfahrungen jeder Art oder andere schwerwiegende Ereignisse. In vielen Fällen sind es allerdings viel subtilere Geschehnisse im Familien- und Sozialbereich der Betroffenen, die zu einem verminderten Selbstwertgefühl führen und eine Trichotillomanie auslösen können.

Als weiterer Grund wird eine hohe Stressanfälligkeit und hohe Stressexposition von Betroffenen genannt.

Auch eine genetische Prädisposition scheint vorhanden zu sein.

Folgen und Komplikationen

Die sichtbarste Folge der Trichotillomanie ist das häufige Ziehen, Zupfen und Drehen an den Haaren, was auf die Umgebung störend wirken kann. Eine weitere Folge sind kahle Stellen am Kopf, was zu ästhetischen Problemen, zu Haarausfall und zu Hautproblemen führen kann.

Oft werden von Betroffenen jene Situationen und Tätigkeiten vermieden, die zu einer Entdeckung ihrer Erkrankung und einer möglichen Stigmatisierung führen können, bzw. der Haarausfall kann mit einer organischen Krankheit verwechselt werden

Behandlung

Eine Notwendigkeit zur Behandlung liegt nicht immer vor. Die Prognose ist im Allgemeinen auch bei schweren Fällen günstig.

Eine Verminderung des Stressniveaus kann durch die Anwendung von Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung erreicht werden.

Schwere Beeinträchtigungen der Lebensqualität erfordern regelmäßig kombinierte psychotherapeutische und medikamentöse Maßnahmen wie z. B. die Einnahme von Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern. In einzelnen Fällen konnten auch trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika und Anxiolytika erfolgreich eingesetzt werden.

Die Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren ist wenig erforscht. Eingehend untersucht wurde einzig das Habit-Reversal-Training, welches laut einer Übersichtsarbeit zu einer nachweislichen Besserung der Symptomatik führt und der medikamentösen Behandlung überlegen ist. Bei der Reaktionsumkehr werden anstelle des Problemverhaltens alternative Bewegungen, möglichst unter Beteiligung antagonistischer Muskelgruppen, ausgeführt wie z. B. die Faust zu ballen oder Umklammern eines Gegenstandes für mehrere Minuten. Eine weitere Behandlungstechnik ist die Methode der „Entkopplung“, bei der das Fehlverhalten zunächst protokolliert und später langsam ersetzt und verlernt wird.

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