Fetales Alkoholsyndrom

Das Fetale Alkoholsyndrom (FAS), auch Alkoholembryopathie (AE) genannt, bezeichnet eine Reihe vorgeburtlich entstandener Schädigungen eines Kindes durch von der schwangeren Mutter aufgenommenen Alkohol.

Zu den Defektmöglichkeiten gehören ein zu kleiner Kopf, Gesichtsfehlbildungen, Herzfehler, Bewegungsstörungen, Schielen und geistige Behinderung. Ist die Organbildung beim Kind zum Zeitpunkt des Alkoholkonsums bereits abgeschlossen, entstehen meist keine oder nur geringe körperliche Fehlbildungen und das Kind zeigt nur geringfügige äußere Merkmale. Eine Schädigung des Zentralnervensystems (ZNS), mitunter einhergehend mit kognitiven und verhaltensbezogenen Störungen, kann dennoch vorliegen. Für diese in der Symptomatik abgeschwächte, aber in den Auswirkungen für das Kind dadurch nicht pauschal „leichtere“ Form des FAS wird der Ausdruck Fetaler Alkoholeffekt (FAE) genutzt. Fetale Alkoholspektrum-Störungen gelten in Deutschland Schätzung zufolge als die häufigste aller angeborenen Erkrankungen. Der Verzicht auf Alkoholkonsum in der Schwangerschaft stellt eine 100%ige Prävention dar.

Ursachen

Die Ursache des FAS und der FAE ist immer und ausschließlich Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft. Alkohol ist allgemein als reprotoxisch (fruchtschädigend) anerkannt. Er gehört zu den toxisch wirkenden Stoffen, welche die Plazentaschranke, die die Blutkreisläufe von Mutter und Kind trennt, überwinden, sodass das Ungeborene über die Nabelschnur den gleichen Alkoholpegel erleidet wie seine Mutter. Der Abbau findet hauptsächlich in der Leber der Mutter statt, die kindliche Leber ist noch unfertig und entwickelt erst nach der Geburt einen eigenen leistungsfähigen Stoffwechsel. In Abhängigkeit von Reifestadium, Alkoholmenge und individueller Disposition schädigt der Alkoholkonsum der Schwangeren irreversibel die körperlich-organische Entwicklung sowie die späteren kognitiven und sozialen Fähigkeiten des Ungeborenen.

Manche Defizite werden vermutlich dadurch verursacht, dass es durch den Alkohol zu Schädigungen der Purkinje-Zellen im embryonalen Kleinhirn, die für das Gleichgewicht und die Muskelkoordination verantwortlich sind, kommt.

Häufigkeit

Alkohol hat von den vielfältigen, in der Schwangerschaft auf das Kind potenziell toxisch wirkenden Stoffen die größte Verbreitung und die größte gesellschaftliche Konsumakzeptanz. In einer Studie der Charité aus dem Jahr 2007 gaben 58 % der befragten Schwangeren an, gelegentlich Alkohol zu trinken.[6] FASD wäre durch ein entsprechendes Verhalten der Schwangeren vollständig vermeidbar. Da jedoch statistisch gesehen nur eine von fünf Frauen in westlichen Ländern während der Schwangerschaft konsequent auf jeglichen Alkoholkonsum verzichtet, sind alkoholbedingte Schädigungen dort weit verbreitet. Das Fetale Alkoholsyndrom ist nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Deutschland mit im Durchschnitt einem betroffenen Kind bei 350 Geburten die häufigste Ursache für geistige Behinderungen. Das wären jährlich etwa 2000 betroffene Kinder. Es ist damit beispielsweise doppelt so häufig wie das Down-Syndrom.

Primäre Entwicklungsstörungen

Die Vergiftung des ungeborenen Kindes mit Alkohol führt in Abhängigkeit vom Reifungsstadium zu unterschiedlichen Entwicklungsstörungen.

Der Embryo zeichnet sich im ersten Trimenon durch den Prozess der Organogenese aus, das heißt, es werden die Organe angelegt. Dementsprechend tiefgreifend sind die Schädigungen, die in dieser Zeit erfolgen können: Mikrozephalie und Mikroenzephalie (Kopf-/Gehirnminderentwicklung), kraniofaziale Hypoplasie (Gesichtsveränderungen mit strukturellen Unterentwicklungen) und Fehlbildungen innerer Organe sind die häufigsten.

Im zweiten Trimenon ist die größte Gefahr bei mütterlichem Alkoholkonsum eine Fehlgeburt. Weiterhin kommt es zu Wachstumsretardierung (Wachstumsverzögerung) mit Rückstand oder Verzögerung der körperlichen Entwicklung.

Im dritten Trimenon wächst der Fetus körperlich und kognitiv zur Geburtsreife. Durch den Einfluss von Alkohol besteht die Gefahr der Wachstumsretardierung und einer Schädigung des Zentralnervensystems. Diese Gefahr ist zu diesem Zeitpunkt am größten.

Nicht nur regelmäßiges oder übermäßiges Trinken wirkt in diesem Sinne schädigend. Der episodische (gelegentliche) Alkoholkonsum kann je nach Entwicklungsphase spezifische Schädigungen beim Ungeborenen verursachen: Während der vierten Schwangerschaftswoche beispielsweise kann Alkoholeinfluss die sich herausbildende Kopfform beeinflussen, in der sechsten Woche kann es bei der Entwicklung der Nieren zu Fehlbildungen kommen. Über den gesamten Verlauf der Schwangerschaft befindet sich das Gehirn in einem Reifungsprozess und ist dementsprechend das am meisten empfängliche und von alkoholbedingten Schädigungen bedrohte Organ.

Symptomatik beim geborenen Kind

Alkoholkonsum der Schwangeren kann im Prinzip alle Organe und Organsysteme des ungeborenen Kindes schädigen, wenngleich bei typischer Ausprägung des FAS einige Körperteile besonders betroffen sind. Die Diagnose des klassischen Syndroms stützt sich bei schwer betroffenen Kindern besonders auf äußere Merkmale. Dazu zählen: Minderwuchs, Untergewicht, Kleinköpfigkeit (Mikrozephalie), mangelhafte Muskelentwicklung, typische Gesichtsveränderungen, kognitive Entwicklungsverzögerung und Verhaltensstörung(en). Die Schweregrade alkoholbedingter Schädigungen beim Kind haben ebenso wie die individuelle qualitative und quantitative Ausprägung des mütterlichen Alkoholkonsums eine große Bandbreite, die im Einzelfall betrachtet und eingeschätzt werden muss. Dass sich nicht nur mütterliche Alkoholabhängigkeit negativ auf das Kind auswirkt, sondern auch das bislang weitgehend gesellschaftlich tolerierte und teils sogar geforderte soziale Gelegenheitstrinken toxisch wirken kann, wird bislang nur wenig beachtet. Trotz der medizinisch hohen Bedeutung in Bezug auf bleibende Schädigungen beim Kind, ist die Verharmlosung von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft nach wie vor auch bei Gynäkologen verbreitet, und Kinderärzte tun sich vor allem mit der Diagnose fetaler Alkoholeffekte mitunter sehr schwer.

Es kommt insgesamt zu vielfältigsten Störungen in den Bereichen des gesamten Körpers an sich, dem organischen Bereich sowie zu neurologisch-kognitiven Störungen und Verhaltensauffälligkeiten.

Folgen

Kinder mit Folgen der FAS können einen normalen IQ erreichen, sind aber oft körperlich eingeschränkt und krankheitsanfällig. Kinder mit dem Vollbild des FAS entwickeln sich körperlich durchaus weiter, zum Teil wachsen sich einige der körperlichen Unterentwicklungen aus. Fehlbildungen können mitunter operativ korrigiert werden, sodass von ihnen keine Beeinträchtigung mehr ausgeht. Im kognitiven Bereich ist das jedoch anders: Die meisten Kinder mit FAS sind lebenslang geistig behindert, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Hierbei hat auch eine optimale Förderung von Kindern, die zu Pflegeeltern kamen, keine weiteren Entwicklungserfolge gezeigt. Mentale und soziale Defizite konnten nicht beseitigt werden, die Kinder benötigen ein einfach strukturiertes, klares Umfeld, um nicht überfordert zu werden.

Kinder mit FAE weisen oft kaum körperliche Besonderheiten auf, ihr IQ ist oft durchschnittlich. Auffällig werden sie jedoch im (Sozial-)Verhalten. Die meisten Kinder bedürfen einer konstanten Beaufsichtigung und viele bis ins Erwachsenenalter hinein vielfältige Unterstützung bei Tätigkeiten des alltäglichen Lebens.

Prävention

Die einzig wirksame sichere Vermeidung von alkoholbedingten Schädigungen des ungeborenen Kindes ist der vollständige und konsequente Verzicht auf den Konsum von Alkohol durch die Schwangere während der gesamten Dauer der Schwangerschaft. Die größte Schwierigkeit jedes Präventionsansatzes besteht darin, dass viele Frauen sich der Risiken des Alkoholkonsums mit den möglichen Konsequenzen für das Kind nicht bewusst sind oder die Risiken unterschätzt werden.

Behandlungsansätze

Ansätze, um die Lebensqualität zu erhöhen und die Entwicklung von Sekundärbeeinträchtigungen zu mildern, umfassen u. a. die Behandlung von Begleiterkrankungen, beratende Begleitung bei der Ernährung, Interventionen im Zusammenhang mit Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten und eine Beratung der Eltern.

Pädagogischer Umgang

Da das Zusammenleben mit von FASD-betroffenen Kindern und Jugendlichen je nach Ausprägung unvorhersehbar und stürmisch ist, ist es wichtig, nicht starr an pädagogischen Routinen – wie Konsequenz und Strenge – festzuhalten. Oftmals fehlt es dem Kind an Einsicht, Verständnis und perspektivischen Lerneffekten. Vielmehr ist es wichtig, einen Perspektivwechsel in der pädagogischen Haltung einzuschlagen und neue Wege für sich und das Kind zu entwickeln. Insbesondere sollte ein grundsätzliches Verständnis für die Art und Weise des kindlichen Verhaltens entwickelt werden und keine altersentsprechenden Entwicklungen im Vergleich zu nicht Betroffenen Kindern erwartet werden. Daher bedarf es einer störungsspezifischen pädagogischen Haltung gegenüber dem Kind mit einer Orientierung an seinen individuellen Möglichkeiten und Grenzen.

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