Kleptomanie

Kleptomanie (altgriechisch κλέπτειν kléptein ‚stehlen‘ und μανία maníā ‚Raserei‘, ‚Wut‘, ‚Wahnsinn‘) ist ein Symptom aus der Gruppe der Impulskontrollstörungen. Der Begriff bezeichnet wiederkehrende Diebstähle ohne erkennbaren Nutzen oder Motiv. Weitgehend synonym sind Begriffe der Umgangssprache wie „zwanghaftes Stehlen“, „neurotisches Stehlen“ etc. Der Begriff stammt aus dem 19. Jahrhundert und wird heute von einigen Autoren als veraltet und irreführend abgelehnt.

Begriff

Der Begriff wird André Matthey zugeschrieben (Nouvelles recherches sur les maladies d’esprit, 1816);[2] er wurde von den französischen Psychiatern Charles Chrétien Henry Marc und Jean-Étienne Esquirol um 1830 aufgegriffen und zu der (heute verlassenen) Monomanielehre ausgebaut.

Diagnose

Kennzeichnend ist, dass der Akt des Stehlens selbst den Antrieb bildet, nicht das Diebesgut, welches typischerweise nur geringwertig ist oder sogar nach der Tat weggeworfen wird. Die psychische Spannung ist vor der Tat hoch und sinkt danach ab. Es gibt eine hohe Komorbidität mit Zwangsstörungen und affektiven Störungen. Wie bei allen Impulsstörungen bestehen Impulse, gegen die kein Widerstand geleistet werden kann. Kleptomanische Diebstähle werden nicht begangen, um Ärger oder Wut abzureagieren. Die Diebstähle werden in der Regel als ich-dyston erlebt und ähneln diesbezüglich Zwangshandlungen. Häufig erleben die Patienten nachfolgende Schuldgefühle oder Depressionen.

„Die Störung charakterisiert wiederholtes Versagen Impulsen zu widerstehen, Dinge zu stehlen, die nicht dem persönlichen Gebrauch oder der Bereicherung dienen. Stattdessen werden die Gegenstände weggeworfen, weggegeben oder gehortet. Dieses Verhalten ist meist mit wachsender innerer Spannung vor der Handlung und einem Gefühl von Befriedigung während und sofort nach der Tat verbunden.“

Häufigkeit

Kleptomanie ist eine sehr seltene Störung. Die Prävalenz soll bei 6/1000 Einwohner liegen. Nur etwa 5 % aller Ladendiebstähle werden durch Kleptomanie verursacht. 3/4 der Täter sind weiblichen Geschlechts. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen liegt der Beginn vor dem 20. Lebensjahr.

Therapie

Die Behandlung der Kleptomanie erfolgt psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch. Die kognitive Verhaltenstherapie setzt Methoden der Verdeckten Konditionierung, Aversionstherapie und Systematische Desensibilisierung ein.[8] Es gibt auch einen pharmakologischen Ansatz mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern oder Naltrexon, der jedoch bisher nicht evidenzbasiert ist.[9] Weitere Substanzen werden erprobt. Ein neurobiologisches Korrelat, welches sich therapieren liesse, ist bisher nicht gesichert, auch wenn Einzelfallberichte Schädigungen der Leitungsbahnen im Frontalhirn gezeigt haben.

Juristische Bedeutung

Pathologisches Stehlen wird gelegentlich zur Begründung einer verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB oder auch herabgesetzter Verantwortlichkeit (§ 3 JGG) herangezogen. Da die im Gesetzestext genannte krankhafte seelische Störung in aller Regel eine der im DSM-IV gelisteten Achse-I-Störungen voraussetzt, kann Kleptomanie ohne Begleiterkrankung höchstens die Merkmale einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erfüllen. Dazu ist allerdings die Diagnose „Kleptomanie“ keinesfalls ausreichend, vielmehr fordert die Rechtsprechung eine erhebliche antisoziale Persönlichkeitsstörung, die nur im Einzelfall unter Beurteilung der Tatmerkmale, des inneren Erlebens, der Komorbiditäten, Substanzgebrauch, Delinquenzanamnese etc. gutachterlich beurteilt werden kann.

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